LEADER/CLLD: Was ist das?

  Der LEADER-Ansatz
Die Abkürzung und die Methodik
Eine kurze Chronik
 
Die sieben wesentlichen Merkmale von LEADER
1. Bottom-up-Ansatz
2. Territorialer Ansatz
3. Lokale Aktionsgruppen in öffentlich-privater Partnerschaft
4. Ganzheitliche multisektorale Maßnahmen
5. Netzwerkbildung
6. Innovationsförderung
7. Kooperation
 
Braucht LEADER eine Auffrischung?
Der „Lebenslauf“ der LAG
Neue oder aufgefrischte LAG?
Die Anwendung der LEADER-Grundsätze ändern oder stärken
LEADER integrieren
Mehr Beteiligung ermöglichen
Integration durch Konsultation
 
LEADER und CLLD

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Der LEADER-Ansatz

Gegenstand dieses LEADER-Steckbriefs sind die Entstehung und die sieben wesentlichen Merkmale von LEADER sowie der Übergang von LEADER auf eine von der örtlichen Bevölkerung betriebene lokale Entwicklung (Community-Led Local Development, CLLD). Im ersten Kapitel wird unter Rückgriff auf ausgewähltes Archivmaterial aus der Zeit von LEADER II erläutert, wie die sieben Merkmale ursprünglich gedacht waren.

Die Abkürzung und die Methodik

Das LEADER-Konzept wurde in Reaktion auf den gescheiterten Versuch eingeführt, die in vielen ländlichen Gebieten Europas bestehenden Probleme mit Hilfe herkömmlicher Top-down-Ansätze zu lösen. Die Abkürzung „LEADER“ ergibt sich aus der französischen Bezeichnung „Liaison Entre Actions de Développement de l'Économie Rurale“ („Verbindung zwischen Tätigkeiten zur Entwicklung der Wirtschaft im ländlichen Raum“). Mit dem neuartigen Ansatz verbunden war der Gedanke, Privatpersonen und Organisationen auf lokaler Ebene nicht als Begünstigte an der lokalen Entwicklung teilhaben zu lassen, sondern ihre Tatkraft und ihre Mittel als Motor der Entwicklung zu nutzen. Man wollte Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in lokalen Aktionsgruppen (LAG) zusammenführen, die einen Beitrag zur Zukunftsentwicklung ihres Gebietes würden leisten können. Dieser Zusammenführungs- und Beteiligungsgedanke war im Jahr 1990, als ihn Beamte der Europäischen Kommission erstmals ins Spiel brachten, gänzlich neu.

Für die Anwendung des LEADER-Ansatzes auf die räumliche Entwicklung stellen die lokalen Aktionsgruppen das wichtigste Instrument dar. Ihre Mitglieder sind an der Ausarbeitung und Ausführung lokaler Strategien und Entscheidungen sowie an der Mittelverteilung direkt beteiligt. Der mit dem Konzept verbundene Mehrwert ergibt sich letztlich durch die Stärkung der lokalen Akteure im Wege ihrer Beteiligung an der Ausarbeitung und Ausführung lokaler Entwicklungsstrategien und an der Zuteilung der entsprechenden Mittel.

Eine kurze Chronik

In politischer Hinsicht wurde LEADER zunächst als Gemeinschaftsinitiative eingeführt, d. h. als besonderes Finanzierungsinstrument der EU-Strukturpolitik zur Entwicklung neuer Lösungen für konkrete Probleme mit Auswirkungen auf die gesamte EU. In der Experimentierphase von 1991 bis 1993 erfasste LEADER 217 Gebiete in als benachteiligt ausgewiesenen ländlichen Regionen. Dieser Benachteiligungsfokus fand auch bei LEADER II von 1994 bis 1999 Anwendung, obwohl sich die Anzahl der LAG auf rund 900 erhöhte. Die ermutigenden Ergebnisse führten dazu, dass die Anwendbarkeit der Methode im Rahmen von LEADER+ (2000 bis 2006) auf ländliche Gebiete jeder Art ausgeweitet wurde. In seiner vierten Programmperiode (2007 bis 2013) wurde LEADER in die Politik der EU zur Entwicklung des ländlichen Raums als Gesamtheit integriert („mainstreamed“) und dadurch auf 2416 ländliche Gebiete in allen Mitgliedstaaten anwendbar. Dementsprechend auch als „Mainstream-Förderprogramm“ bezeichnet, wurde LEADER Pflichtbestandteil aller Entwicklungsprogramme für den ländlichen Raum mit einem Mindestbudgetanteil von 5 % in der EU-15 und 2,5 % in der EU-12 (ohne Kroatien, das erst im Jahr 2013 EU-Mitglied wurde). Im Jahr 2007 erweiterte man LEADER thematisch auch auf die Fischereipolitik, was nach und nach die Gründung von mehr als 300 lokalen Aktionsgruppen Fischerei (FLAG) in 21 Mitgliedstaaten zur Folge hatte.

Für die Programmperiode 2014-2020 wurde der Anwendungsbereich von LEADER auf eine von der Bevölkerung betriebene lokale Entwicklung (CLLD-Modell) in ländlichen, fischwirtschaftlichen und städtischen Gebieten ausgeweitet. Die Förderung von CLLD-Initiativen kann sowohl aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) – als LEADER-Projekt – wie auch aus dem Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF), dem Europäischen Sozialfonds (ESF) und dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) erfolgen. Sofern es die Mitgliedstaaten in ihren Programmplanungsregeln gestatten, können die LAG jetzt ganzheitliche Strategien unter Inanspruchnahme mehrerer Fonds ausarbeiten und realisieren.

Mit der Weiterentwicklung von LEADER prägten sich auch die entsprechenden Mechanismen weiter aus; offizielle Netzwerke in Gestalt der nationalen Netzwerke für den ländlichen Raum und des Europäischen Netzwerks für den ländlichen Raum stellen den LAG technische Unterstützung und andere Netzwerkleistungen bereit. ELARD, die europäische LEADER-Vereinigung für ländliche Entwicklung (European LEADER Association for Rural Development), ist ein internationales Kooperationsforum der LEADER-Gebiete.

Die sieben wesentlichen Merkmale von LEADER

LEADER stützt sich auf sieben wesentliche Merkmale und kann nur funktionieren, wenn alle sieben gleichzeitig vorhanden sind und zusammen angewandt werden. Aufgrund dieser sieben Merkmale ist LEADER mehr als nur ein simples Förderprogramm, es ist ein methodischer Ansatz.

1. Bottom-up-Ansatz

Der Bottom-up-Ansatz bildet das Kernstück von LEADER. LEADER beruht auf der Vorstellung, dass Einheimische am besten wissen, wie sich die Entwicklung in ihrem Gebiet vorantreiben lässt. Die Mitwirkung der lokalen Interessenträger bei dieser basiszentrierten Herangehensweise bedeutet, dass sie die Entwicklung ihres Gebiets in eine Richtung lenken können, die ihren Erfordernissen, Erwartungen und Plänen gerecht wird. Durch Anwendung eines Gemeinschaftsmodells mitsamt der Übertragung von Entscheidungsbefugnissen können sie die Zukunft ihrer Region selbst in die Hand nehmen. Sie treffen Entscheidungen über die lokale Strategie und deren Schwerpunkte. Ihre Mitwirkung ist in jeder Strategiephase von der Ausarbeitung und Ausführung bis zur Bewertung und Überarbeitung gefragt. Die Einbindung sollte gerecht und transparent unter Berücksichtigung aller Bevölkerungsgruppen, aller Branchen und aller repräsentativen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Organisationen erfolgen.

Der Bottom-up-Ansatz ist in den EU-Verordnungen mit Bestimmungen über Sensibilisierung und Beschlussfassung so verankert, dass keine einzelne Interessengruppe eine Mehrheit haben kann.

2. Territorialer Ansatz

LEADER und CLLD machen sich eine andere Arbeitsweise zunutze, indem sie die drei Elemente Region, Partnerschaftsprinzip und Entwicklungsstrategie in einem einzigen Ansatz zusammenführen. Die Region bildet das Fundament für den Aufbau der lokalen Partnerschaft und für die Ausarbeitung der Entwicklungsstrategie. Dadurch wird dem, was von einem aktiven Bündnis lokaler Interessenträger unterstützt werden könnte, eine positive Wahrnehmung beschert. Beim territorialen Ansatz ist die Programmförderung auf die Schwerpunkte der Region im Ganzen und nicht auf einzelne Projekte oder Projektgruppen ausgerichtet (darin liegt der Unterschied zu einem projektorientierten Ansatz).

Die Region umfasst in der Regel ein kleines, homogenes, sozial und funktional zusammengehöriges Gebiet, das sich in vielen Fällen durch gemeinsame Traditionen, eine lokale Identität, ein Zugehörigkeitsgefühl oder gemeinsame Bedürfnisse und Erwartungen auszeichnet. Der territoriale Ansatz ermöglicht es der lokalen Partnerschaft, in gemeinsamer Arbeit die Stärken und Schwächen, Chancen und Herausforderungen der Region zu bestimmen sowie das Potenzial und die Mittel der Region zu erschließen.

Die ausgewählte Region muss aus personeller, finanzieller und ökonomischer Sicht hinreichend kohärent und so ausgestattet sein, dass die zur Unterstützung einer tragfähigen lokalen Entwicklungsstrategie notwendige „kritische Masse“ erreicht wird.

Das Gebiet muss geografisch zwar eindeutig abgegrenzt werden, doch ist es bei LEADER grundsätzlich nicht erforderlich, dass die geografischen Grenzen mit den Verwaltungsgrenzen übereinstimmen (sie sollten sich vielleicht eher an den jeweiligen Aufgaben orientieren).

Die Gebiete müssen die Anforderungen von LEADER an die Bevölkerungszahl (zumeist 10.000 bis 150.000 Einwohner gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 mit gemeinsamen Bestimmungen) und gegebenenfalls weitere Vorgaben der Mitgliedstaaten erfüllen. Die Gebietsgrenzen können neu gezogen werden, falls sich die Schwerpunkte der Entwicklungsstrategie oder der Beteiligtenkreis ändern.

3. Lokale Aktionsgruppen in öffentlich-privater Partnerschaft

Die lokalen Entwicklungspartnerschaften – bei LEADER „lokale Aktionsgruppen“ (LAG) genannt – arbeiten auf der Grundlage einer klar festgelegten Organisationsstruktur. Durch die Mitgliedschaft in einer LAG werden jene, die zuvor passive „Begünstigte“ einer Politik waren, aktive Partner und Motor der Entwicklung ihrer Region. Gerade dieses Merkmal ist für das Konzept einer von der örtlichen Bevölkerung betriebenen lokalen Entwicklung typisch.

Zu beachten ist, dass keine zwei Partnerschaften einander in Ursprung oder Entwicklung gleichen und keine Partnerschaft bar jedes Schwachpunkts an den Start geht. Die Partnerschaften müssen zu ihrer Region und den herrschenden Gegebenheiten passen. Sie müssen sich ferner darüber im Klaren sein, dass der Aufbau des notwendigen Vertrauens und der nötigen Arbeitsbeziehungen weder von heute auf morgen noch mühelos vonstattengeht. Es ist normal, dass die Mitglieder ebenso eine Entwicklung durchlaufen wie die Strategie und die Arbeit der LAG.

Gleichwohl sind in den EU-Verordnungen verankerte wesentliche Grundsätze zu beachten. So soll sich der Mitgliederkreis einer LAG in einem ausgewogenen Verhältnis aus Vertretern von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zusammensetzen sowie die lokalen Interessen und die verschiedenen sozioökonomischen Sektoren des Gebiets möglichst breit abbilden. Auf der Beschlussebene darf kein Sektor mehr als 49 % der Mitglieder stellen (Verordnung [EU] Nr. 1303/2013 mit gemeinsamen Bestimmungen). Die Rechtsform der LAG kann von Land zu Land unterschiedlich sein, am häufigsten handelt es sich jedoch um einen gemeinnützigen Verein. Unabhängig von der Rechtsform darf jede LAG einen geeigneten Partner als ihr Rechenschaftsorgan einsetzen.

4. Ganzheitliche multisektorale Maßnahmen

Nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 mit gemeinsamen Bestimmungen wird CLLD auf Gebietsebene mit integrierten und multisektoralen Strategien umgesetzt. Dieses bereits mehrere Generationen von LEADER prägende Merkmal unterscheidet LEADER von herkömmlichen landwirtschaftspolitischen Top-down-Konzepten. LEADER soll, wie es sich aus der nicht abgekürzten Bezeichnung ergibt, eine Verbindung zwischen Maßnahmen zur Entwicklung der Wirtschaft im ländlichen Raum herstellen. Deshalb verfolgen die Partnerschaften mit ihren lokalen Entwicklungsstrategien das Ziel, unter Ausnutzung der Beziehungen zwischen den lokalen Sektoren die möglichen Multiplikatoreffekte freizusetzen.

Dabei setzen sie sich aus ganzheitlicher Sicht mit den Herausforderungen und Chancen des Gebiets auseinander, um die erwünschten gemeinsamen Ziele zu erreichen. Aus diesem Grund sollten die in lokalen Strategien enthaltenen Tätigkeiten und Projekte aufeinander abgestimmt und zu einem Ganzen miteinander verbunden werden. Allerdings ist „ganzheitlich“ nicht mit „allumfassend“ gleichzusetzen; in keiner Strategie sollte versucht werden, alles auf einmal anzugehen oder allem das gleiche Gewicht beizumessen, denn manches lässt sich von der lokalen Ebene aus schlichtweg nicht beeinflussen oder leisten. Die LAG sollten in ihren ganzheitlichen lokalen Entwicklungsstrategien das Augenmerk auf jene Ziele und Maßnahmen legen, die eine bereits laufende Unterstützung aufwerten und am ehesten zu den strategisch angestrebten Veränderungen beitragen können.

5. Netzwerkbildung

Die Netzwerkbildung ist das Herzstück von LEADER und dessen Funktionsweise. Die LAG ist ein Netzwerk lokaler Partner, das im Wege seiner Strategie und der damit verbundenen Tätigkeiten eine Verbindung zwischen den lokalen und anderen Akteuren in der Entwicklungskette herstellt. Die Vorteile der Netzwerkarbeit im Rahmen von LEADER gehen weit über das Lokale hinaus; regionale, nationale und internationale Netzwerke werden für die Zusammenführung von Menschen, Orten und Maßnahmen im ländlichen Raum immer wichtiger. Mit der Einführung des CLLD-Konzepts entstehen größere, neue Chancen eröffnende Netzwerke unter Einbindung von Gebieten außerhalb des ländlichen Raums. Vernetzung bedeutet mehr Austausch über Wissen, Erfahrungen, Gedanken und Informationen, mehr gegenseitige Unterstützung, mehr Kapazitätsaufbau und weniger Ausgrenzung. Vernetzung spielt eine wichtige Rolle bei der Förderung der Zusammenarbeit.

Im Rahmen der Entwicklungsprogramme für den ländlichen Raum werden in allen Mitgliedstaaten nationale Netzwerke für den ländlichen Raum (NLR) gegründet. Auch wenn sie ein breiteres Spektrum von Interessenträgern der ländlichen Entwicklung ansprechen sollen, besteht ihre Aufgabe doch vor allem in der Unterstützung von LAG; in manchen gibt es LAG-Untergruppen. Das auf europäischer Ebene angesiedelte Europäische Netzwerk für die Entwicklung des ländlichen Raums (ENRD) unterstützt die NLR und die LAG direkt und betreibt eine Untergruppe LEADER/CLLD.

Die Europäische LEADER-Vereinigung für ländliche Entwicklung (European LEADER Association for Rural Development, ELARD) ist ein internationaler gemeinnütziger Zusammenschluss und fungiert als Kooperationsforum. Der weit gefasste Mitgliederkreis setzt sich aus LAG sowie nationalen und regionalen LEADER-Freiwilligengruppen zusammen.

6. Innovationsförderung

Die Innovationsförderung ist und bleibt eine der spannendsten und zukunftsträchtigsten, aber auch schwierigsten Aufgaben von LEADER. Das Aufspüren und Fördern neuartiger Lösungen für lokale Probleme oder das Nutzen von Chancen waren von Anfang an ein maßgebliches Element von LEADER. Beim Thema Innovationsförderung geht es aber nicht nur um die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, sondern auch um die Entwicklung neuer Verfahren. Eigentlich war das LEADER-Konzept in seiner Anfangszeit selber die wichtigste Innovation.

Jede LAG sollte bestrebt sein, die Entwicklung ihres Gebiets um neue Elemente zu bereichern. Diesem Ziel müssen sowohl ihre Strategie und Struktur als auch ihre Sensibilisierungs-, Beschlussfassungs- und Projektauswahlverfahren gerecht werden. Natürlich wird sich nicht jede innovative Idee durchsetzen, weshalb die LAG stets eine sorgfältige Projektbewertung werden vornehmen müssen; gleichwohl sollten sie in ihre Entscheidungen ein zulässiges Risikomaß einfließen lassen. Durch Schaffung der richtigen Voraussetzungen und sorgfältige Weiterentwicklung neuer Ideen können die LAG für ihre Gebiete auf Dauer erhebliche Veränderungen zum Positiven bewirken und damit den Mehrwert erbringen, den LEADER schaffen soll.

7. Kooperation

Durch die gebiets- und grenzübergreifende Zusammenarbeit wird die Entwicklung ländlicher Gebiete auf eine breitere Grundlage gestellt. Kooperation bedeutet mehr als nur Vernetzung, denn sie steht für den Schulterschluss zwischen der einheimischen Bevölkerung und den lokalen Aktionsgruppen mit anderen Beteiligten zur Arbeit an einem gemeinsamen Projekt. Das können andere LEADER-Gruppen, aus anderen Europäischen Struktur- und Investitionsfonds geförderte Gruppen oder vergleichbare Gruppen in anderen Regionen, Mitgliedstaaten oder sogar Drittstaaten sein.

Natürlich ist Kooperation kein Selbstzweck. Aus diesem Grund sollten Zweck und Nutzen der Zusammenarbeit mit anderen eindeutig formuliert werden. Die Zusammenarbeit mit anderen Regionen kann eine erstklassige Quelle für Innovationen und Wissenstransfer darstellen. Eine Kooperation im Rahmen von LEADER ermöglicht es ländlichen Gebieten, ihre Vielgestaltigkeit zum Austausch mit anderen Gebieten über neue Betrachtungsweisen und Erkenntnisse, über erfolgreiche Konzepte und Methoden zu nutzen.

Allerdings können nicht nur die Vorteile einer Zusammenarbeit erheblich sein, sondern auch die Herausforderungen. Deshalb sollten eine sorgfältige Planung betrieben, die richtigen Themen und Partner ausgewählt und die von NLR und ENRD angebotene Hilfe in Anspruch genommen werden.

Braucht LEADER eine Auffrischung?

Hat LEADER wirklich eine Auffrischung, eine Erneuerung nötig? Warum ist es wichtig, sich immer wieder diese Frage zu stellen?

In der EPLR-Periode 2007–2013 wurden Bedenken laut, LEADER nehme durch seine Einbeziehung in alle relevanten Politikbereiche („Mainstreaming“) Schaden. Die starke Ausrichtung von LEADER auf die festgeschriebenen Maßnahmen der Entwicklungsprogramme für den ländlichen Raum begrenze die Möglichkeiten der LAG zur Durchführung ganzheitlicher und innovativer Projekte. Gerade das, was die Andersartigkeit von LEADER ausmache, werde teilweise eingeschränkt oder abgeschafft. Die Einschränkungen beträfen insbesondere die Innovationsförderung und kleinere Interventionsmaßnahmen – beides wesentliche Aspekte des von LEADER erzeugten Mehrwerts.

Viele ältere LAG hielten die entsprechenden Änderungen für schwierig zu bewältigen sowie für zeit- und mittelaufwendig. Andere LAG empfanden es als schwierig, die Änderungen und ihre Erfahrungen miteinander in Einklang zu bringen. Die neueren LAG konnten aufgrund fehlender Erfahrungswerte keinen Verglich anstellen. Vielleicht hat die Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 mit der daraus resultierenden Sparpolitik zur Folge, dass die Risikoaversion zugenommen hat, Kofinanzierungsmittel schwerer zu beschaffen sind und die Rechtfertigung eines Engagements komplexer geworden ist.

LEADER ist wandlungsfähig, dynamisch und offen für kontinuierliche Verbesserung, es ist zur Bewältigung von Herausforderungen konzipiert. Durch die Auffrischung und Stärkung von LEADER mit dem Ziel, das Konzept zu einem Motor des Wandels werden zu lassen, können diese Aufgabe weiter erfüllt sowie das Mitbestimmungsmodell und alles Mehrwertschaffende optimiert werden. Das wird nicht aus sich selbst heraus vonstattengehen; wenn wir LEADER stärken wollen, dann müssen wir etwas dafür tun, dann reicht es eben nicht aus, als LAG Routinearbeit abzuliefern. Und auch die Verwaltungsbehörden können sich nicht allein auf die LAG verlassen, sondern müssen die Auffrischung aktiv unterstützen.

Wenn LEADER die Katalysatorrolle erfüllen soll, die viele als seine größte Stärke ansehen, dann müssen sich die Beteiligten Gedanken über das Zusammenspiel von LEADER mit anderen Förderprogrammen machen. Folglich müssen die LAG in sich gehen und sich fragen, was sie erreicht haben, wo ihre Schwachpunkte liegen und wie sich erkannte Probleme bewältigen lassen. Zwar richten sich die Vorschläge in diesem Dokument vor allem an LAG, aber auch die Verwaltungsbehörden müssen zum Zuhören und zum Überdenken ihres Beitrags zu LEADER bereit sein.

Im Folgenden werden Aspekte thematisiert, die Sie bei der kritischen Betrachtung Ihrer Herangehensweise an LEADER und im Hinblick auf eine Auffrischung Ihres LEADER-Konzepts in Betracht ziehen könnten.

Der „Lebenslauf“ der LAG

Eine LAG ist eine dynamische Partnerschaft, und jede Partnerschaft hat einen eigenen Lebenslauf. Bei LEADER durchläuft die Partnerschaft nicht nur in ihrer Arbeitsweise, sondern auch im Verhältnis zu ihren Aufgaben auf den einzelnen Programmstufen eine Weiterentwicklung. Ein Nachdenken darüber, wie man die entsprechenden Veränderungen planen und voranbringen kann, trägt zur Aufrechterhaltung des Engagements der LAG bei. In diesem Zusammenhang könnte das seit langem gebräuchliche Phasenmodell nach Tuckman mit den Entwicklungsschritten „Forming, Storming, Norming, Performing“ eine Betrachtung wert sein.

Neue oder aufgefrischte LAG?

Dass Kontinuität beim Übergang von einer Programmperiode zur nächsten von größter Bedeutung ist, gilt inzwischen als Allgemeingut. Aber sollte man diese Binsenweisheit beim Betrachten der LAG als Einheit nicht vielleicht doch in Frage stellen? Keine LAG besitzt eine Bestandsgarantie als LEADER-LAG – warum sich also nicht vorausblickend mit dem Gedanken beschäftigen, welche Möglichkeiten zur Erneuerung der LAG bestehen? Wie führt die LAG die wesentlichen Erfahrungen, Kenntnisse und Erkenntnisse ihrer Mitglieder einem optimalen Nutzen zu? Eine personelle Auffrischung oder eine inhaltliche Neuausrichtung kann lebenswichtige neue Impulse setzen; eine repräsentativere und integrativere LAG bringt nicht nur neue Personen ins Spiel, sondern eröffnet auch neue Chancen, bringt neue Ideen und neue Instrumente ein und bewegt mittels Stärkung der lokalen Beziehungen andere zum Mitmachen.

Die Anwendung der LEADER-Grundsätze ändern oder stärken

Was bedeutet das in der Praxis? Vereinfacht ausgedrückt, bedeutet es eine genaue Betrachtung der sieben wesentlichen Merkmale des LEADER-Ansatzes und ihrer Anwendung durch die LAG. Was soll mit den einzelnen Merkmalen erreicht werden? Wird LEADER seiner ursprünglichen Absicht entsprechend ausgeführt? Welchen Mehrwert wollen Sie mit LEADER erzielen? Wenden Sie alle sieben Grundsätze an? Wie wenden Sie die einzelnen Grundsätze bei der Arbeit der LAG als Gruppe, in der Zusammenarbeit mit anderen und bei Projekten an? Erfolgt die Anwendung gleichbleibend, oder betreiben Sie Rosinenpickerei? Sind manche Aspekte schwieriger als andere, und falls ja, warum? Was funktioniert warum gut oder weniger gut? Können Sie vor Ort flexibel reagieren? Kontrollieren Sie das?

Anhand Ihrer Analyseergebnisse können Sie ermitteln, wo Verbesserungsbedarf besteht und der Mehrwert gesteigert werden kann, und einen entsprechenden Plan aufstellen.

LEADER integrieren

Eine LAG, die den LEADER-Ansatz optimal nutzen will, muss ihn gut in ihre Arbeitsweise, in ihre Maßnahmen, in ihre Zusammenarbeit mit anderen und in ihre Tätigkeit innerhalb des Fördersystems integrieren. Dabei muss das Augenmerk grundsätzlich auf den Begünstigten liegen: Wie werden sie einbezogen und gefördert, damit die angestrebten Ergebnisse zustande kommen? Bei einer Planung auf dieser Grundlage wird LEADER, gestärkt durch die Anwendungsmethode und den Einsatzplan, zum Herzstück der lokalen Entwicklungsstrategie. LEADER muss als Impulsgeber zu dem Zweck genutzt werden, den Zuspruch und die Mitwirkung der örtlichen Akteure anzuregen und zu erweitern und so die Bedeutung der lokalen Entwicklungsstrategie, des LEADER-Ansatzes und der erreichten Ergebnisse dauerhaft zu stärken.

Mehr Beteiligung ermöglichen

Eine wichtige Möglichkeit zur Auffrischung von LEADER besteht in der Integration neuer Personen und Ideen. Eine verbreitete Kritik am LEADER-Ansatz lautet ja, er könne etwas von einer geschlossenen Gesellschaft haben, einem Kartell der Eingeweihten, das nicht jedem Zugang gewähre. Als Mitbestimmungsansatz sollte LEADER für eine breitere Beteiligung offen sein, sei es durch personelle Erneuerung der LAG oder durch die Einführung neuer Arbeitsweisen und Mitwirkungsmöglichkeiten.

Ein in dieser Hinsicht wesentliches Element ist eine wirkungsvolle Außendarstellung. Hier lassen sich vielleicht neue Sensibilisierungsinstrumente finden wie etwa Informationsveranstaltungen oder andere Möglichkeiten zur Aufklärung über Erkenntnisse aus der Praxis sowie über die Vorteile von LEADER in der Praxis. Finden Sie heraus, wie Sie mögliche Begünstigte, die normalerweise keine Fördermittel der öffentlichen Hand beantragen würden – die „unüblichen Verdächtigen“ – dazu bewegen können, sich mit ihren Ideen einzubringen. Das stärkere Augenmerk auf Sensibilisierung in der Programmperiode 2014-2020 verleiht den LAG die Befugnis und die Mittel zur Erweiterung von LEADER auf neue Personen, Ideen und Mittel. Wie soll das bewerkstelligt und verstetigt werden? Vielleicht durch einen Sensibilisierungsplan oder eine NLR-Fördergruppe „Sensibilisierung“? Überlassen Sie das nicht dem Zufall, denn dafür ist es zu wichtig. Wer in dieser Hinsicht gut arbeitet, der kann die Entwicklung erfolgreicher und strategisch bedeutsamer Projekte viel besser fördern.

Die LAG haben ferner die Möglichkeit, unter Anwendung besonderer Instrumente wie etwa konkreter Förderfähigkeitskriterien kleinteilige, innovative, komplexe oder ganzheitliche Projekte zu fördern. Das trifft nicht nur auf den ELER zu, sondern auch auf die CLLD. Zur Einbindung bestimmter Gruppen wie beispielsweise Frauen, Jugendliche und Privatunternehmen können besondere Auswahlkriterien wie etwa Quotenregelungen zur Anwendung kommen.

Integration durch Konsultation

Die Befragungen im Zuge von Ausarbeitung und Überprüfung der lokalen Entwicklungsstrategie stellen für die LAG ein ideales Mittel zur Ansprache und Einbindung neuer Personenkreise dar. Sie dienen nicht nur zur Ermittlung des Entwicklungsbedarfs und der Entwicklungsmöglichkeiten, sondern auch der Mitwirkungsmöglichkeiten der Angesprochenen. Wollen die LAGs neue Schichten erreichen, dann müssen sie sich darüber Gedanken machen, wie diese angesprochen und zur Mitarbeit bewegt werden sollen. Passive Offenheit allein reicht nicht aus, weil es viele Hürden gibt – Entfernung, Verkehr, Zeitpunkt, Kinder, Schule, Sprache –, die abschreckend wirken können. Die neuen Zielgruppen brauchen eine Aufforderung, eine Erlaubnis zum Mitmachen. Denken Sie es durch: Wie können Sie anderen zur Teilhabe verhelfen, welche Mittel und Methoden können Sie einsetzen?

Auf diese Art und Weise können die LAG selber dafür sorgen, dass sie so jung und aktuell wie möglich bleiben, einen Mehrwert schaffen und eine echte Basisbeteiligung herstellen. Die entsprechenden Ansätze sind nichts Einmaliges, sondern wie bei der lokalen Entwicklungsstrategie dynamische Mittel und Methoden, die bei sachgerechtem Einsatz die fortlaufende Erneuerung vorantreiben

LEADER und CLLD

Der Erfolg von LEADER in ländlichen Gebieten hatte zur Folge, dass andere ESI Fonds die Anwendung von LEADER auf andere Gebietstypen ermöglichten. In der Programmperiode 2007-2013 wurde das Konzept im Europäischen Fischereifonds – seit 2014 Europäischer Meeres- und Fischereifonds (EMFF) – verankert, im Jahr 2014 auch im Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und im Europäischen Sozialfonds (ESF). Obligatorisch ist die Anwendung allerdings nur im ELER.

Für diese neuen Anwendungsbereiche wurde der Begriff „Von der örtlichen Bevölkerung betriebene lokale Entwicklung“ (Community-Led Local Development, CLLD) eingeführt. Für die CLLD im Rahmen des ELER bleibt der unverkennbar mit dem ländlichen Raum verbundene Terminus LEADER erhalten. Seit dem Jahr 2014 ist es möglich, dass eine einzelne lokale Entwicklungsstrategie (Local Development Strategy, LDS) von mehreren EU-Fonds gefördert wird („Multifonds-CLLD“). Sofern die Mitgliedstaten diese Möglichkeit eingeführt haben, können die LAG (ungeachtet dessen, ob sie ländlicher, fischwirtschaftlicher oder städtischer Art sind) das Potenzial des CLLD-Konzepts zur umfassenden Integration lokaler Erfordernisse und Lösungen ausloten. Die Einführung des CLLD-Konzepts ermöglicht ferner eine bessere Abstimmung der LEADER-Förderung auf die Förderung der lokalen Entwicklung aus anderen EU-Fonds und damit eine Stärkung der Beziehungen zwischen ländlichen, städtischen und fischwirtschaftlichen Gebieten.

Im Sinne einer einheitlichen Behandlung der LDS und der entsprechenden Maßnahmen durch die EU Funds sind in der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen gemeinsame Mindestanforderungen festgelegt worden. Darüber hinaus hat die Europäische Kommission zwei unverbindliche Leitfäden für die Anwendung des CLLD-Konzepts herausgegeben:

Europäische Struktur- und Investitionsfonds – Leitfaden für Mitgliedstaaten und Programmbehörden zur von der örtlichen Bevölkerung betriebenen lokalen Entwicklung in Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (September 2018) [PDF en ]

Europäische Struktur- und Investitionsfonds – Leitfaden für lokale Akteure zur von der örtlichen Bevölkerung betriebenen lokalen Entwicklung (September 2018) [PDF en]